Schon lange vor Weihnachten reiben sich die Vertreter der Schokoladen-Industrie eifrig die Hände: Kaum sonst als in der Vorweihnachtszeit wird mehr Schokolade konsumiert. Dass sich dabei kaum jemand Gedanken macht, unter welchen Bedingungen der erforderliche Kakao erwirtschaftet wird, ist ja nahezu normal. Um so mehr ehrt es die Macher der Tübinger chocolART, sich mit dem Thema “Schmutzige Schokolade” im Rahmen einer Veranstaltung auseinander zu setzen. Eingeladen dazu hatte man den dänischen Dokumentarfilmer Miki Mistrati, der in seinem auch in Deutschland ausgestrahlten gleichnamigen Film deutlich macht, wie etwa im Land Elfenbeinküste die Kinderarbeit bei der Kakao-Ernte eine wichtige Rolle spielt.
Und das ist dann auch Tübingen: Ein volles Kino, ein nicht aufdringlicher aber präsenter Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne), und die Diskutanten, die irgendwie alle der gleichen Meinung sind. Ein Streitgespräch also nicht. Friedel Hütz-Adams vom Institut Südwind hat die Situation wissenschaftlich beleuchtet, Bernward Geier vom Zertifizierer Rainforest Alliance, der Filmemacher Mikis Mistrati, und nicht zuletzt Olaf Reichardt als Vertreter des Bundes der Süßwarenindustrie, gleichzeitig Produzent von Schokoladen-Halbfertigwaren.
Am Ende wird deutlich, dass die Süßwaren-Industrie weltweit schon so gut unterwegs ist, ein entsprechend deutlich formuliertes Gesetzvorhaben zum Schutz vor Kinderarbeit in der Kakao-Ernte zum Abkommen herunter zu degradieren, immerhin dauert das Procedere nur etwas mehr als acht Jahre (!); man diskutiert gerade die Verlängerung. Mittlerweile sei es aber auch die Industrie, so Reichardt, der die Politik mit Initiativen treibe. Denn, so staune, der “mächtige Kakao-Bauer” kann auch Kautschuk oder andere Pflanzen anbauen, wenn die spekulative Bohne nicht mehr den Preis hergibt, den er braucht. Von Nachhaltigkeit des Anbaus also kaum eine Spur. Gleichzeitig beklagen nahezu alle Beteiligten die überbordende Anzahl von Zertifizierern.
Deutlich wird durch die Diskussion auch, dass die größte Spanne im Einzelhandel bleibt. Unter welchen Herstellungs-Bedingungen auch immer: Der anbauende Bauer und seine Familie erhalten am Ende noch den geringsten Lohn. Und dass es der Industrie mit der Qualität und dem dafür erforderlichen Preis auch nicht so ehrlich ist, zeigt die Preisentwicklung allein in Deutschland: 1950 kostete eine Tafel Schokolade 99 Pfennig, 2001 kostete sie noch den gleichen Preis. Heute gehen Billig-Schokoladen für etwa 35 Cent über den Tresen.
Immerhin achtet die chocolART im Rahmen der feinen Veranstaltung in der Tübinger Altstadt schon genau auf die Qualität der Anbieter, die sehr wohl geeignet ist, den Verbrauchern ein etwas anderes Bewusstsein für die köstliche Süßigkeit zu liefern. Allein, es ist noch ein sehr, sehr langer Weg.